Konstrukt Boden: Krise und Kritik

Seminar Architektur und Stadt I / III (056-0001-01)
Veranstalter: MAS ETH GTA
Dozierende: Dr. André Bideau, Dr. Susanne Schindler, Marie-Anne Lerjen
Zeit: Freitags, 14.00-17.30 Uhr
 


Geschäftsviertel La Défense im Bau, 1970 (Archives Defacto/La Défense)


Der Boden ist eine Ressource, deren Endlichkeit heute nicht mehr bezweifelt wird. Klimawandel, wachsende sozio-ökonomischer Ungleichheiten und politischer Polarisierung: sie alle hängen mit der Frage des Bodens zusammen. Was bedeutet diese Krise für einen kritischen Architekturdiskurs?

Konstrukt
Den vielschichtigen an ihn gerichteten Ansprüchen und Bedürfnissen gemäss ist der Boden ein Konstrukt, in den Worten André Corboz gar ein «Palimpsest». Jedes besiedelte Territorium ist demnach in eine Vielzahl von Projektionen und Imaginarien eingeschrieben – sowohl in Bezug auf seine Vergangenheit als auch auf seine Zukunft. Nach Reinhold Martin gibt es ohne Boden keine Architektur und umgekehrt. Kein Bauwerk ohne Baugrund, auf dem es stehen kann; keine Immobilie, die als solche in Besitz genommen und bewertet werden kann, ohne die Instrumente der Architektur.

Krise
Das Seminar widmet sich dieser Wechselwirkung von Krise und Kritik in der Konstruktion des Bodens. Dabei werden Bodenfragen auch als Teil einer Ideengeschichte untersucht, in der Architekt*innen immer wieder Krisennarrative mobilisiert haben – so etwa die utopischen Entwürfe und Manifeste der Moderne. Sahen die damaligen Reformer*innen im kollektivierten Boden einen Weg zur Entgrenzung und Gesundung der Grossstadt, fordern Architekt*innen heute angesichts von Immobilienspekulation und Zersiedelung vermehrt ein Umdenken im Sinne der Gemeingüter oder commons. Angesichts durchgängig urbanisierter Lebensräume haben sich der Umweltbegriff sowie das Krisennarrativ verschoben.

Kritik
Das Seminar verfolgt seine Fragestellungen anhand zweier Perspektiven: Zum einen analysieren wir historische Quellentexte und Fallstudien. Zum anderen suchen wir nach Alternativen zu jener objektzentrierten Perspektive, wie sie das Feuilleton und die Fachmedien lange Zeit gekennzeichnet hat. So interessieren uns Bodenfragen gerade dort, wo sie ein kritisches Potenzial für den Architektur- und Stadtdiskurs freizusetzen vermögen.
Das Zürcher Furttal nehmen wir zum Anlass, das Thema Boden durch das Genre Architekturkritik aktiv auszuloten. Welche Erkenntnisse bietet die Agglomeration für unser Verständnis von Stadt und Landschaft, deren Grenzen ihre Trennschäfte verlieren? Die Arbeit der Studierenden ist Teil eines Forschungsprojekts, das Ende 2022 in eine am ZAZ/Zentrum Architektur Zürich geplante Ausstellung münden wird.